Hans Posegga & der junge Deutsche Film
Bild: Peter Schamoni bei Dreharbeiten für Schonzeit für Füchse
(von Astrid Posegga)
Die jungen deutschen Filmemacher traten in der Nachkriegszeit auf den Plan. Sie trafen sich in Schwabing im Lokal ‚Meine Schwester und ich’, auch im Hahnhof saßen sie zusammen, aßen viel Brot, das es umsonst gab und tranken Wasser oder ein Glas Wein. Es waren die Brüder Ulrich und Peter Schamoni, Raimund Ruehl, Wolfgang Spieker, Boris Marangosoff, Vlado Kristl („Die Zerstörung der Systeme“) und andere. Auch immer am Tisch im ‚Hahnhof’ der stets fröhliche und ausgeglichene Wolfgang Urchs, der zauberhafte Zeichentrickfilme machte. [1] Hans hat einige seiner Filme vertont.
Auf der Leopoldstrasse hielten sie voller Stolz die Filmstreifen gegen das Tageslicht, um sich gegenseitig die neuesten gedrehten Szenen vorzuführen. Im Kreis dieser jungen Filmemacher fühlte sich Hans sehr wohl und besonders mit Peter Schamoni verband ihn eine Freundschaft, die bis zum Lebensende dauerte.
Als Hans wieder einmal mit Herzbeschwerden im Krankenhaus lag, und auch noch mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, kam Peter vorbei und legte anstelle von Blumen einen Scheck auf das Nachtkästchen. Damit löste sich auch ein Teil der Herzbeschwerden von Hans.
So war Peter, – auch wenn er manchmal arrogant oder unnahbar zu sein schien. Für seine Mutter, Maria Schamoni, die nach dem Krieg und dem Tod ihres Mannes, ihre vier Söhne mit einfachen Tätigkeiten tapfer großgezogen hatte, war er immer da, verwöhnte sie, und dankte ihr auf diese Weise. Maria Schamoni kam oft, sie mochte Hans und kam gern zu uns, trug immer schneeweiße Kleidchen und sprach nie von ihrer bösen Krankheit, Krebs. Sie starb daher für uns völlig überraschend 1984.
Mit dem ‚Jungen deutschen Film’ begann Hans Karriere als Filmkomponist.
„ES“ war der erste große Spielfilm von Ulrich Schamoni, produziert von Horst Manfred Adloff, einem phantasiereichen Unternehmer, Bildhauer, Filmproduzenten, der gerade eine Kunststoff-Firma in Bielefeld verkauft hatte und nun voller Schwung sein Geld in diese Filmproduktion steckte. Ängstlichkeit gehörte nicht zu den Machern in den Jahren des Wirtschaftsaufschwungs. Mit Angst wäre sicher auch kein Wirtschaftswunder entstanden.
Hans hat mit Peter Schamoni in den ersten großen Spielfilmen als Komponist und auch als Schauspieler gearbeitet. [2] In dem Film „Alle Jahre wieder“ spielte Hans einen Tierarzt und musste mit Sabine Sinjen tanzen, was ihm als Musiker besonders schwerfiel. Er bekam Tanzunterricht, der leider nicht lange vorhielt, denn mit mir hat er fast nie getanzt. Tanzen erschien ihm eine lächerliche Beschäftigung, zumal er immer im Geiste den Rhythmus der Musiker mitzählte.
Konkurrenz bestand damals zwischen den Brüdern Ulrich und Peter Schamoni, von denen jeder als erster mit einem Spielfilm auf den Markt kommen wollte. Ulli machte das Rennen mit dem Film „ES“. Hans Posegga vertonte den Film.
Es gibt eine Single von dieser Filmmusik, die damals im ‚Domo Verlag’ erschienen ist. Inzwischen wurde dieser Verlag mehrmals verkauft, und nun liegt die Musik bei ‚Koch Universal’, wo sie nicht weiter ausgewertet wird, weil dort auch ein „Hansi Hinterseer“ unter Vertrag ist. Das ist der Lauf der Dinge.
Zitat: Plattencover
„Seit 1953 war Hans der meistbeschäftigte Komponist der jungen deutschen Filmregisseure. Vertonte über 200 Filme, die zum großen Teil experimentellen Charakter haben, unter anderen von Boris Borresholm, Bodo Blüthner, Hans Ertl, Rob Houwer, Ferdinand Khittl, Robert Menegoz, Raimund Ruehl, Peter Thomas und Ulrich Schamoni, Franz Schedereit, Haro Senft,, Heinz Sielmann, Spieker und Wolfgang Urchs. Die vorliegende Platte bringt eine Auswahl heiterer Musiknummern (von Barock bis Twist), die nicht illustrativ, sondern meist kontrapunktisch zur Handlung der Spielfilme „Schonzeit für Füchse und „Es“ eingesetzt sind“.
So steht es auf dem Cover der Single zu dem Film „ES“ von Ulrich Schamoni und „Schonzeit für Füchse“ von Peter Schamoni.Die jungen Filmemacher schlossen sich später im ‚Oberhausener Manifest’ als „Junger deutscher Film“ zusammen. Sie wollten ein neues Kino, wehrten sich gegen die Unterhaltungsfilme der Kriegszeit und Nachkriegszeit – „Papas Kino“ – und fanden ihre Vorbilder in Frankreich und Italien.
„Papas Kino“ wurde von Regisseuren, wie Ernst Marischka, gemacht, die sich dem Film als Unterhaltungsmedium widmeten. Märchenfilme, wie „Sissi, das Leben einer Kaiserin“ oder der „Opernball“ laufen immer noch, weltweit. Vom ‚jungen deutschen Film’ redet heute fast niemand mehr.
Richtig war sicher, dass ein neuer Stil gefunden wurde, der schon in Italien zum ‚Neorealismus’ und in Frankreich zum ‚Cinéma vérité’ und weiter zur ‚Nouvelle vague’ geführt hatte, und der für die jungen Filmemacher zum Vorbild wurde. Der als „rotes Tuch“ dienende Spielfilm „Der Förster vom Silberwald“ (Regie: Alfons Stummer) war ursprünglich ein Dokumentarfilm über die Wälder der österreichischen Familie Mayr-Melnhof, die größten Waldbesitzer der Steiermark. Die Spielhandlung wurde in diese Bilder hineingeschnitten, um so eine Kinoauswertung zu erreichen.
Mit Alfons Stummer, hatte Hans schon 1956 zusammengearbeitet. „Insel unter der Faust“, ein Film über Sardinien, den Hans vertonte. Sehr spät, in den 80er Jahren haben die beiden noch einmal an einem Film über die Venus von Willendorf „Venus, Mutter der Erde“ gemacht. Alfons Stummer war inzwischen Professor an der Wiener Filmakademie geworden.
„Hito-hito“ ein Dokumentarfilm von Hans Ertl fiel in diese Zeit. Auch dieser wurde von Hans vertont. Von der Musik wurde ebenfalls eine Single gepresst und in diesem Fall sogar Notenmaterial gedruckt.
Der Kurzfilm und der Industriefilm, die beide heute keine große Rolle mehr spielen, waren in den 50er und 60er Jahren für die jungen Filmemacher ein Experimentierfeld.
Die jungen deutschen Filmemacher, die „Papas Kino“ für tot erklärt hatten, arbeiteten daher nicht mit den alten UFA Regisseuren zusammen, eine Filmhochschule gab es noch nicht. Einige hatten Germanistik, Philosophie oder Kunstgeschichte studiert, aber auch Juristen wie Alexander Kluge wachten eines Morgens als Regisseur auf.
Die „Nouvelle vague“ aus Frankreich und Jean Luc Godard inspirierten die jungen Regisseure. Man drehte nicht mehr in Studios, Münchens Strassen waren voller Filmteams, die Wohnungen der Mitwirkenden dienten als Drehort. 1966 wurde als das eigentliche Geburtsjahr des ‚Jungen deutschen Films’ bezeichnet.
Haro Senft, Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Jean Marie Straub, Edgar Reitz, Werner Herzog waren die Regisseure des ‚Jungen deutschen Films’, der langsam auch international wieder wahrgenommen wurde.
- [1] Wolfgang Urchs
- Die Gartenzwerge 1962
- Kontraste 1964
Die Maschine 1966
Wolfgang Urchs „Herr Kékulé, ich kenne Sie nicht“.1967 GBF
[2] Filme mit Peter Schamoni
„Die widerrechtliche Ausübung der Astronomie – Ernst Wilhelm Leberecht Tempel“ 1966
Schonzeit für Füchse 1966 Filmband in Gold für die beste Filmmusik
Max Ernst
Alle Jahre wieder 1966
Caspar David Friedrich 1986