Des Lebens Wagen – Entstehungsgeschichte des Oratoriums
( von Astrid Posegga)
Im Jahre 1980 wandte sich das Kloster Benediktbeuern an Hans Posegga wegen eines musikalischen Werkes, aufzuführen anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der theologisch-philosophischen Hochschule. Veranlasst wurde diese Anfrage durch das bereits existierende Werk „Christ und Antichrist“ später der „Song vom lieben alten Gott“.
Der Bayerische Volksbildungsverband (BVV), hatte durch Frau Mella Gentner an der Uraufführung (1978) im Kloster Neustift mitgewirkt, und so kam die Kunde von diesem Werk auch nach Benediktbeuern. Pater Direktor Josef Feuerlein trat an Hans Posegga heran, mit der Bitte eine „kleine“ Komposition für das bevorstehende Jubiläum zu erarbeiten. Bereits 1971 hatte sich Pater Dr. Leo Weber an Hans gewandt, mit der Bitte, alle jene Texte aus den „Carmina Burana“ geistlichen Inhalts für eine Vertonung zu sichten, die Carl Orff nicht beachtet hatte. Nach reiflicher Überlegung hat Hans diesen Vorschlag abgelehnt, da gegen die großartige und erfolgreiche Musik von Carl Orff und seine Auswahl der Texte eine weitere Auflage „Carmina burana, geistlich“ wohl kaum eine Chance gehabt hätte.
So schlug Pater Weber als Grundlage für ein solches Werk das Deckengemälde im alten Barocksaal vor. Damit war der Grundstein für ein „großes Werk“ gelegt und die „kleine“ Komposition war vom Tisch. Erst einmal, denn als es dann um die Finanzierung ging, war plötzlich doch wieder die Rede von der „kleinen“ Komposition.
Die Deckengemälde des alten Barocksaals im Kloster umfassen Elemente aus dem Christentum, aus der griechischen Mythologie, laizistische Motive aus dem Jahreszeitenwandel, politische Anspielungen, wenn Jesus die bayerische Kurfürstenkrone aufgesetzt wird. Ein vollblütiges Barockwerk, den ganzen Kosmos beschreibend bis hin zum letzten Tor in die Ewigkeit, vor dem der Tod sitzt. Hans, ebenfalls ein barocker Mensch, war sofort fasziniert von dieser Idee und spannte den Bogen weiter bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Damals war gerade die heiß umstrittene Stationierung von Pershing Raketen im Rahmen des kalten Krieges auf der politischen Tagesordnung. Die Angst vor der Zerstörung der Welt mit Atomwaffen ging um.
So besingt das Oratorium die Schönheiten der göttlichen Schöpfung und die Bedrohung eben dieser Schöpfung durch den Menschen.
Ein Knabenchor – hier die ‚Tölzer Sängerknaben’ – singt nach dem count down mit hellen Kinderstimmen – und es läuft einem kalt über den Rücken: „Halt! Fahrt die Geschütze nicht aus, wir haben nur ein Zuhaus, die Erde, unsere Erde………“
Aus vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass Hans den Bogen noch weiter spannen wollte und auch Texte aus dem Koran und dem Buddhismus einfügen wollte. Doch entweder war den beratenden Patres Feuerlein und Weber dieser Bogen doch zu weit oder auch Hans empfand es als zu ausufernd, zu sehr als einen religiösen Eintopf, der nach nichts mehr Wirklichem schmeckte, sondern eben von allem ein bisschen was enthielt und blieb dann bei Texten aus dem abendländischen Kulturkreis.
Pater Feuerlein unterstützte Hans während dieser umfangreichen Arbeit, die er manchmal aus Verzweiflung hinschmeißen wollte. Die ganze Familie hat mitgelitten. Die finanziellen Schwierigkeiten am Ende für die Herstellung des Notenmaterials und die Bezahlung der umfangreichen Besetzung wurden ein wenig durch den Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß und seine Frau Marianne gelindert.
Auf einem Empfang der Filmbranche, der jedes Jahr von Franz Josef Strauß im Antiquarium der Residenz veranstaltet wurde, sprach Hans den Ministerpräsidenten in der Sache Benediktbeuern und dieses Oratorium anlässlich des Jubiläums an. „Sog’ns des meiner Frau“ riet Strauß und gleichzeitig „Geh her Marianne, hör dir das an!“
Marianne Strauß ließ sich detailliert informieren, und tatsächlich, als dann Pater Feuerlein um eine Unterstützung für dieses Kulturereignis ansuchte, erhielt er Geld für die Uraufführung in der Basilika in Benediktbeuern am 31. Mai 1981. Strauß’ hervorragendes Personengedächtnis bewirkte, dass er Hans im Jahr darauf von sich aus ansprach und fragte, ob das denn geklappt hätte.
Dr. Walter Flemmer, Kulturchef des Bayer. Fernsehens veranlasste eine Aufzeichnung dieser Aufführung. Seither existiert eine Aufzeichnung im Bayerischen Fernsehen, die leider nicht das ist, was wir uns vorstellten, nämlich eine genaue Einbindung des Bilderkatalogs aus dem alten Barocksaal des Klosters in die Musik. Es werden zu viele Geranien und Blumen im Hof gezeigt, die mit dem musikalischen Werk nichts zu tun haben. Hingegen fehlen die detaillierten Einlassungen auf den Bilderzyklus.
Hans hat hier eine gigantische Besetzung in seiner Partitur vorgesehen. Großen Chor, Kinderchor, großes Orchester und eine Combo plus 4 Solisten. Diese Besetzung ist der Grund weshalb das Werk inzwischen nicht mehr aufführbar ist, da die Kosten jeden Rahmen sprengen. Dirigentin bei der Uraufführung war eine kleine zierliche Person: Alicia Munk. Sie hatte alles gut im Griff. Ich sehe sie noch vor mir. Sie trug eine schwarze Jacke mit weiten langen Ärmeln, die ihrem zarten Körper ein ausreichendes Gewicht geben sollten. Eine andere Form anspruchsvoller Vertonungen wurde an ihn herangetragen. Eine Filmemacherin aus Solln bei München, Gudrun Kern, produzierte kurze religiöse Filme für die Redaktion „Kirche und Welt“ im ZDF